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Im Ostend gibt es 75 Grundstücke. Auf ihnen sollen 21 Mehrfamilienhaus-Blöcke, 42 Reihen- und Stadthäuser sowie sechs Gebäude entstehen, in denen es sowohl Gewerbe als auch Wohnungen geben soll. Dazu kommen zusammen sechs Flächen für die Wohnungsbaugesellschaften gbg, kwg und Beamtenwohnungsverein, die ebenfalls unter anderem Mehrfamilienhäuser planen, in denen zusammen etwa 6 Sozialwohnungen zu finden sein werden. Foto: Chris Gossmann
Von Rainer Breda
Hildesheim. Die Korken lassen sie nicht knallen. Doch ihre Freude darüber, wie es im Ostend läuft, ist Stadtbaurätin Andrea Döring und Planungsamtschefin Sandra Brouër im Gespräch mit der HAZ sehr wohl anzumerken. Und die beiden Spitzen- Frauen aus dem Bau-Dezernat haben ja auch allen Grund dazu.
„Die Geschwindigkeit bei der Vermarktung kann sich sehen lassen.“
Sandra Brouër, Leiterin des Stadtplanungsamtes
Denn die Stadt hat so gut wie alle Flächen in dem Baugebiet zwischen der Oststadt und der Senator-Braun- Allee vergeben, die Vermarktung ist im Grunde abgeschlossen. „Wir haben 74 Grundstücke in gut zwei Jahren verkauft – die Geschwindigkeit kann sich ja wohl sehen lassen“, findet Brouër.
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So will die Hanseatische Immobilien Treuhand bauen.
Gerade erst ist die Tinte unter dem Kaufvertrag über ein 2300- Quadratmeter-Grundstück im Südwesten der Siedlung getrocknet. Die Hanseatische Immobilien Treuhand hat sich das Baufeld 17, eines von insgesamt 24 auf dem einstigen Kasernenareal, gesichert. Der Stader Bauträger und Projektentwickler will dort elf Reihenhäuser mit je 145 Quadratmetern Wohnfläche errichten, allesamt mit begrünten Flachdächern.
Die Baugenehmigung ist beantragt, die ersten Käufer sollen noch in diesem Jahr einziehen, kündigt das Unternehmen an, das so schnell wie möglich loslegen will und das Ostend als Einstieg in Hildesheim betrachtet. „Wir planen weitere Projekte in der Stadt“, kündigt Geschäftsführer Christoph Winkler von Mohrenfels an.
An vier Stellen auf dem knapp zwölf Hektar großen früheren Militär- Areal laufen sogar schon Bauarbeiten. So richtet der Beamtenwohnungsverein eine der beiden früheren Soldatenunterkünfte an der Senator-Braun-Allee, die aus Mackensen-Kasernen-Zeiten stehen geblieben sind, für das Helios- Klinikum her. Im Norden hat die gbg angefangen, im Süden und Südosten nehmen zwei kombinierte Gewerbe- und Wohngebäude Gestalt an.
Auch die rund 300 Meter lange Lärmschutzwand zwischen Bahngleisen und den geplanten Einfamilienhäusern im Westen steht bereits. Das Bauwerk ist in Höhe der Goethestraße derzeit noch auf einer Länge von 42 Metern unterbrochen: Hier soll der Bahnübergang für Fußgänger und Radfahrer zur Oststadt entstehen, der Baubeginn lässt allerdings noch auf sich warten. Denn die Genehmigung des Eisenbahnbundesamtes steht aus. Ob es denn bei der Einschätzung der Stadt bleibt, es gehe 2020 los? Da zuckt Brouër mit den Schultern.
Insgesamt 31 Grundstücksverkäufe sind notariell beurkundet, fünf weitere stehen vor dem Abschluss. Für 21 Flächen erstellen die Besitzer derzeit das Baukonzept, für 17 Bauplätze läuft die Abstimmung zwischen Käufern und der Verwaltung.
Für letztere bedeutet das besondere Vergabeverfahren, das die Stadt am Ostend erstmals anwendet, einen großen Aufwand: Zum Zuge kamen nicht wie sonst in vielen Baugebieten üblich die Höchstbietenden (für alle Grundstücke galten vom Rat beschlossene Festpreise), sondern die Anbieter mit der höchsten Kreativität.
Das Ziel, auf diese Weise gestalterische Vielfalt zu schaffen, werde erreicht, betont Döring. Doch die Herangehensweise bringe einen erheblichen Beratungsbedarf mit sich. Der sich aber gelohnt habe, betonen sie und Brouër unisono. Denn so seien die Konzepte baugenehmigungsreif. „Wir haben die Abstimmung im Verfahren nach vorne verschoben“, erklärt die Planungsamtschefin. Schließlich könne die eine Abteilung im Rathaus schlecht etwas untersagen, woran eine andere vorher mitgearbeitet habe.
Aller Begeisterung zum Trotz: An manchen Stellen lief es auch im Ostend nicht rund, wie Döring und Brouër einräumen. So ist der Plan, drei Baufelder von großen Baugemeinschaften entwickeln zu lassen, mehr oder minder gescheitert. Ein Investor, so lautete die Idee, sollte jeweils eine Tiefgarage und einen Innenhof für einen Mehrfamilienhausblock schaffen, den er gemeinsam mit kleineren Partnern bauen sollte. „Wir hatten an Handwerksbetriebe, andere Firmen oder private Geldanleger gedacht“, erklärt Brouër.
Doch die Abstimmung zwischen den Interessenten erwies sich als so schwierig, dass die Stadt zwei der drei Baufelder am Ende doch als Paket an einen Bieter verkaufte. „Schade“, findet Döring. Die Verwaltung werde aufgrund dieser Erfahrung beim nächsten Baugebiet an der Pappelallee auf diese Variante verzichten. Auch kostenfreie Optionen für Bauplätze soll es nicht mehr geben; künftig kostet das Reservieren eine Gebühr, die beim Kauf verrechnet wird. „Das schafft mehr Verbindlichkeit“, erklärt Brouër. Am Ostend hatten Interessenten in mehreren Fällen die sechsmonatige Option trotz Verlängerung verfallen lassen. Auch auf den Ansatz, Mehrfamilienhäuser für Sozialwohnungen mit Tiefgaragen auszustatten, will die Stadt in Zukunft verzichten. „Das lässt sich wirtschaftlich nicht darstellen“, sagt Brouër.
Doch ansonsten ging eben vieles im Ostend glatt – weshalb die Planungsamtschefin zuversichtlich ist, auch das letzte der 75 Grundstücke zu verkaufen. Allerdings erst, wenn es an der Zeit ist: Die an der Senator- Braun-Allee gelegene Fläche dient voraussichtlich noch drei Jahre als Baustellenzufahrt.
Eine Abrechnung für das Baugebiet dürfte noch länger auf sich warten lassen. Sie wird nach Angaben der Verwaltung kompliziert, was unter anderem am Einsatz der Städtebaufördermittel für das Gelände liege. Das Rathaus hofft nach der ursprünglichen Vorlage für den Rat auf Einnahmen von knapp 18 Millionen Euro. Die Aufwendungen seien aber so hoch, dass das Vorhaben nicht rentierlich sei, erklärt Sprecher Helge Miethe. Daher hätte die Stadt das Ostend ohne die Fördermittel nicht bewältigen können, betont Döring.
Das planen die Hildesheimer Baugesellschaften im Ostend
Dass im Ostend bald bis zu 1200 Menschen leben sollen, ist dem Gebiet noch nicht anzusehen: Noch gleicht das Areal eher einem Acker als einem Wohnviertel. Neben dem Hildesheimer Architekten Andre Seidler, der derzeit im ostend zwei Bürogebäude und Wohnungen errichten lässt, sind es die Baugesellschaften gbg und der Beamten-Wohnungsverein BWV, die in dem Neubaugebiet als erste aktiv sind. Und die Kreiswohnbau (kwg) steht bereits in den Startlöchern. Die Chefs der drei Großen der hiesigen Baubranche bestätigen entgegen den zweifelnden Äußerungen mancher Hildesheimer, die sich wegen der weiterhin fehlenden Hochbauten wundern: Es gibt keine Verzögerungen, alles ist im Plan.
Da ist der Beamten-Wohnungsverein BWV, der direkt an der Senator-Braun-Allee eines der Bestandsgebäude saniert, umgestaltet und zudem einen neuen Anbau errichtet. Das Helios Klinikum wird hier auf rund 1400 Quadratmetern sowohl seine bisher im Verwaltungsgebäude auf der anderen Straßenseite untergebrachte Krankenpflegeschule wie auch die Elternschuleräume unterbringen. Als neues Angebot wird Helios ein Patientenhotel mit 23 Zimmern einrichten. Im zweiten Schritt will der BWV zwei L-förmige Gebäude auf dem benachbarten Baufeld errichten. Dort ziehen im Erdgeschoss die Drogeriekette Rossmann, ein Bio-Supermarkt, ein Bäcker sowie eine Apotheke und ein Restaurant ein, in den oberen Stockwerken sind zum einen 30 von der Caritas betreute Wohnungen geplant, im anderen Flügel wird die Diakonie Himmelstür Büros nutzen und inklusives Wohnen anbieten.
Im dritten, an der Bahnlinie gelegenen BWV-Baufeld, könnten im Erdgeschoss einige Büroflächen entstehen, zudem ist neben Wohnhäusern der Neubau einer Kita geplant, deren Träger noch nicht feststeht. Das vierte und letzte Baufeld ist überwiegend für Wohnungen vorgesehen.
Auf einem anderen Baufeld hat die Baugesellschaft gbg unterdessen die Tiefbauarbeiten für ein Gebäude mit insgesamt 59 Mietwohnungen weitgehend abgeschlossen. Der Zuständige Stephan Persin war in den vergangenen Wochen insbesondere mit dem Thema Grundwasser beschäftigt: Denn das steht in dem Gebiet relativ hoch. nicht so sehr, dass es ernsthafte Probleme macht und zu eklatanten Verzögerungen führte, aber man müsse es sehr genau im Blick behalten, sagt gbg-Sprecher Frank Satow. An drei Messpunkten wird der Wasserpegel rund um den Rohbau ständig mit Sonden überwacht. Nun soll es mit dem Hochbau rasch vorangehen, kündigt Satow an. Und auf Tempo hofft man bei der Baugesellschaft auch insgesamt: „Mit Blick auf die Gesamtentwicklung des Baugebietes Ostend wünscht sich die gbg möglichst schnell weitere bauende Nachbarn.“
Einer der Nachbarn wird die Kreiswohnbau (kwg) auf einem etwa 6000 Quadratmeter großen Grundstück sein. Die hat Ende Dezember, wie in ihrem ursprünglichen Zeitplan vorgesehen, den Bauantrag für ihr Vorhaben eingereicht. insgesamt 96 Wohnungen will die kwg bauen, davon sollen 28 verkauft werden, der Rest wird vermietet, 18 sind günstigere Sozialwohnungen. Zudem lässt die kwg eine Tiefgarage mit knapp 90 Stellplätzen bauen. Das Grundwasser hat man auf dem Schirm, sieht darin aber wie die gbg auch kein entscheidendes Hindernis. „Es war klar, dass man dort schnell im Wasser ist, wenn man tiefer gräbt“, sagt kwg-Chef Matthias Kaufmann. sein Unternehmen will im August 2020 mit dem Bau beginnen, nach etwa 20 Monaten sollen die Wohnungen fertig sein. Jan
Lob vom Rat, Kritik an Sozialwohnungsanteil so viel Einigkeit herrscht selten im Rat: alle Fraktionen loben die Arbeit der Verwaltung bei der Entwicklung des ostend. Besonders die Vermarktung und das Instrument der Grundstücks-Vergabekommission finden den Beifall der Politiker, die in dem Gremium neben Vertretern des Rathauses und externen Fachleuten vertreten waren. „Das lief exzellent“, sagte CDU-Fraktionschef Ulrich Kumme der HAZ, ähnlich äußerte sich Erdinc Parlak: „Die Entscheidungen fielen überwiegend einstimmig“, berichtet der Vertreter der Gruppe Unabhängige/ FDP. Das Baudezernat habe „insgesamt ordentlich gearbeitet“, findet AfD-Fraktionschef Bernd Kriesinger.
Kritik gibt es dagegen am Anteil der Sozialwohnungen. „Der ist wie ein Eisberg in der Sonne weggeschmolzen“, moniert Linken-Vertreter Orhan Kara, er fühle sich über den Tisch gezogen. Aus der Politik war ursprünglich eine Quote von 25 Prozent gefordert worden – dies hätte bei den 650 Wohnungen, die nun voraussichtlich entstehen, etwa 160 Sozialwohnungen bedeutet. Tatsächlich werden es gerade knapp 70, schätzt Planungsamtschefin Sandra Brouër – was immerhin mit zehn Prozent noch etwas mehr ist, als sich die Stadt am Ende vorgenommen hatte. Gleichwohl hätte sich unter anderem Grünen-Chef Ulrich Räbiger einen deutlich größeren Anteil an bezahlbaren Wohnungen gewünscht: „Das war das letzte Baugebiet, bei dem wir nicht rigoros eine Quote von mindestens 20 Prozent verlangen.“
AfD-Chef Ralf Kriesinger bedauert, dass auch Sozialwohnungen in anderen Stadtteilen auf den ostend-anteil angerechnet werden konnten. Der SPD-Politiker Detlef Hansen, Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, hat seine Stellungnahme zum ostend eher allgemein gehalten: Das ostend sei in einem aufwendigen Verfahren mit städtebaulichem Wettbewerb und Grundstücksvergabe aufgrund eingereichter Konzepte entwickelt worden, dies habe zu einem hohen Zeitaufwand und auch einigen Schwierigkeiten geführt. „insgesamt sehen wir das ostend mittlerweile auf einem guten Weg.“ Br
Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 20. Januar 2020