Für junge Menschen mit Handicap: WG auf dem Kipphut startet im Mai
16. Dezember 2020 — Viktoria Hübner

Sarstedt. Beziehungsgespräche am Küchentisch, gemeinsam das Gemüse für den Salat schnippeln, Abendessen mit Freunden. Ein Leben, so selbstständig wie möglich, wollen die Johanniter jungen Menschen mit hauptsächlich körperlichen Handicaps und/oder Pflegebedarf ermöglichen. Dazu entsteht in dem Neubaukomplex, den die Kreiswohnbaugesellschaft Hildesheim (kwg) derzeit am Kipphut errichtet, eine Wohngemeinschaft (WG). Voraussichtlich zum 1. Mai 2021 soll das Stockwerk in dem fünften hohen Haus bezugsfertig sein.
„Oft bleiben junge Menschen mit Handicaps deshalb im Elternhaus wohnen.“
Nadine Abmeier Projektverantwortliche bei den Johannitern über fehlende alternativen
Noch wuseln Handwerker auf der Baustelle umher, Maschinenlärm liegt in der Luft. In der zweiten Etage des achtgeschossigen Gebäudes sieht es allerdings fast schon wohnlich aus. Dort wollen die Johanniter Frauen und Männern ab 19 Jahren, die – sei es durch Behinderung, Unfall oder Krankheit – körperlich beeinträchtigt sind, ein Zuhause geben. „Der Bedarf an barrierefreiem und bezahlbarem Wohnraum ist rar“, sagt Nadine Abmeier, Projektverantwortliche der Johanniter. „Und oft bleiben junge Menschen mit Handicaps deshalb im Elternhaus wohnen.“
Doch nicht selten können die Eltern die Pflege nicht mehr leisten, es kommt zu familiären Disharmonien. Zudem hat jeder junge Mensch auch einen eigenen Lebensentwurf, will selbstbestimmt durch den Alltag gehen. Klappt es im Elternhaus nicht mehr, berichtet Abmeier, sei eine gängige Alternative der Umzug in ein Alten- und Pflegeheim – eben weil dort auch die Betreuung gesichert ist. „Ein junger Mensch gehört aber noch nicht dorthin“, sagt Abmeier. Mit der WG will die Hilfsorganisation eine Lücke schließen, und einer Isolation entgegenwirken.
Zehn Zimmer – zwischen 14 und 20 Quadratmeter groß – gibt es in der WG, alle mit eigenem Bad. Über einen breiten Gemeinschaftsflur, der sich einmal im Carré über die rund 400 Quadratmeter große Etage zieht, sind alle Räume erreichbar. So auch die Wohnküche, das Zentrum der künftigen WG. Dort wird gekocht, gegessen, gechillt, gespielt, alles was sich auch in einem Studentenwohnheim abspielen würde. Küche und Ausstattung lassen sich von Rollstuhlfahrern bedienen. Vom Essund Wohnzimmer geht es auf die Dachterrasse. Eine Reinigungskraft greift den Bewohnern einmal die Woche unter die Arme, daneben gibt es ein Hausnotrufgerät für den Fall der Fälle. Wie viel Unterstützung ein jeder braucht, bestimmt er selbst. „Auch eine Betreuung 24 Stunden, sieben Tage die Woche ist sichergestellt“, sagt Abmeier.

Die Johanniter selbst übernehmen die Rolle des „WG-Moderators“. Vermietung, Begleitung, Beantragung von Leistungen, Finden geeigneter Dienstleister, „wir sind da, wenn die Bewohner uns brauchen“. Ansonsten leben diese nach eigenen Vorstellungen – und in ihrer Gemeinschaft. Hat sich eine Gruppe ernsthaft Interessierter gefunden, geht es darum, das künftige Zusammenleben in einer WG-Vereinbarung, einer Art Satzung schriftlich festzuhalten. Dabei werden alle relevanten Fragen die Gemeinschaft betreffend auch durch die Gemeinschaft beantwortet – von der Haustierhaltung bis zum neuen Mitbewohner. „Das Konzept ist dynamisch anpassbar.“
Wie in allen anderen Bereichen bremst Corona aber auch die Johanniter aus. Gerne hätten sie eine große Infoveranstaltung auf die Beine gestellt, auch um die anderen Bewohner des Kipphutes über die neuen Nachbarn und das Konzept zu unterrichten. Denn ursprünglich hieß es, dass in dem Neubau demente Bewohner einziehen würden. „Die Gespräche mit der kwg haben wir 2016 geführt, da war noch ein anderer Bedarf“, erklärt Abmeier. Dieser habe sich jedoch geändert.

Info
Interessierte für die Sarstedter Wohngemeinschaft können sich bei Nadine Abmeier unter Telefon 01 62 / 2 11 97 92 oder per e‑Mail an nadine.abmeier@johanniter.de melden. Ebenso für die Teilnahme an virtuellen Informationsveranstaltungen am Mittwoch, 16. Dezember, 16 Uhr, Dienstag, 12. Januar, 10 Uhr, und Samstag, 30. Januar, 10 Uhr. Pandemiebedingt sind Besichtigungen vor Ort nicht möglich. Unter www.johanniter.de/wg-sarstedt sind aber aktuelle Informationen und Fotos zu finden.
Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung (Sarstedter Anzeiger) 16.12.2020