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Mit der Draisine ins Museum

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Noch ein Rohbau: Doch im Dezember öffnet hier die „Saline“ mit neuem Museum, Kita und Wohngruppe. FOTO: MICHAEL VOLLMER

Von Michael Vollmer

Bad Salzdetfurth. Neuigkeiten für die Museumslandschaft der Region: Am 4. Dezember soll das neue Bergbau- und Salzmuseum in der Saline in Bad Salzdetfurth nach dem Umbau seine Türen öffnen.

 

In der Mitgliederversammlung des Geschichtsvereins Bad Salzdetfurth hat nun Kurator Mario Müller von der Universität Hildesheim das Konzept für eine neue Attraktion in der Kurstadt vorgestellt. In dem ehemaligen Industriegebäude der Salzpfännergilde erhält das Museum an einem historischen Ort der Salzgewinnung eine neue Heimat und vor allem ein neues Ausstellungskonzept. Auf 325 Quadratmetern Innen und 220 Quadratmetern Freifläche soll es für die Besucher Neues zu entdecken geben. Und das mit Erlebnischarakter. Denn geplant ist auch ein mit einer Draisine von Besuchern befahrbarer zehn Meter langer Schacht.

 

Hinzu kommen tonnenschwere Geräte und mehr als 500 Exponate, die die regionale Geschichte der Salzgewinnung in der Region beschreiben.

 

Die Gäste würden auf ihrer Reise in vergangene Tage die „bezaubernde Schönheit von Kristallen“, eine beeindruckende Industriekultur und nicht zuletzt die 800-jährige Geschichte des Bergbau- und Kurortes Bad Salzdetfurth erleben, kündigt Müller an. Doch bis zur Eröffnung gibt es für die Handwerker noch jede Menge zu tun. Neben dem Museum zieht noch eine Kindertagesstätte und Wohngruppen für intensiv-pflegebedürftige Patienten in das historische Gebäude. So werde die Saline zu einem Treffpunkt für alte und junge Menschen. Der Geschäftsführer der kwg Hildesheim, Matthias Kaufmann berichtete außerdem über den aktuellen Stand der Bauarbeiten: „Es gab eine kleine Verzögerung durch die Denkmalpflege. Vier Monate haben wir auf die Freigabe der Fenster gewartet.“ Die Fassade sei daher noch mit einem Gerüst versehen. „Es ist aber bereits gut erkennbar, dass das Mauerwerk eine sehr schöne Ausstrahlung hat“, sagte Kaufmann. Verschiedene Teile weisen dabei auf den alten Charakter hin.

 

Die benachbarte Kalthalle, die von den Museumsleuten als Lager genutzt wird, ist schon fertiggestellt und kann nach der Möblierung kurzfristig bezogen werden.

 

Müller zeigte einen visuellen Rundgang durch das neue Museum. Der Hallencharakter und die Stützen bleiben erhalten. Im Eingangsbereich wartet eine Stempeluhr aus dem Kaliwerk auf die Besucher, nach dem Stempeln geht es in die Waschkaue, dem klassischen Umkleideraum der Bergleute. Danach geht es in die Ausstellung, wo es unter anderem ein „Schaufenster“ gibt – ein 50 Meter langer Laufsteg für mehrere hundert Exponate wie Grubenlampen oder Werkzeuge aus dem Bergbau. Ein „Labor“ soll Schüler oder Familien zum Forschen Einladen.

 

 

„Kulturschätze der Region sichtbar machen“

Paloma Klages ist für den Museumsbund als Beraterin für die Heimatmuseen der Region zuständig

 

Paloma Klages FOTO: NORBERT MIERZOWSKY

Von Norbert Mierzowsky

Kreis Hildesheim. In jeder Stadt oder Gemeinde im Landkreis Hildesheim gibt es mindestens ein Heimatmuseum, meist ehrenamtlich geführt. Trotz allen Engagements der Betreiber bleibt bei vielen Einrichtungen der Besucheransturm aus. Das weiß kaum jemand so gut wie Paloma Klages aus Nordstemmen, die im Auftrag des Museumsverbandes Niedersachsen/ Bremen für die hiesigen Heimatmuseen als Ansprechpartnerin arbeitet. Ehrenamtlich – so wie die meisten der Museumsleiter auch.

 

„Ich kenne den Frust vor Ort“, sagt Klages, die zudem noch seit 2014 Kreisheimatpflegerin ist und stellvertretende Vorsitzende des Kreisheimatbundes. Und sie hat sich viel vorgenommen, denn sie will dazu beitragen, dass sich die Szene der hiesigen Heimatmuseen ändert – mit rund 60 Sammlungen und 30 Heimatstuben. Weg vom Image eines Sammelsuriums in vollgestellten Ausstellungsräumen hin zu Häusern oder Sammlungen, die sich ein eigenes Profil geben.

 

Wie zum Beispiel aktuell das Salzpfännermuseum „Saline“ in Bad Salzdetfurth, in das die Stadt Geld investiert, um dem Haus mit Hilfe der Universität Hildesheim ein neues Konzept zu geben. „Das ist genau der richtige Weg“, sagt Klages. Doch die Kommunen haben andere Baustellen, für die sie ihr Geld investieren müssen. Und zum anderen ist es schwer, die Betreiber von Heimatstuben oder -museen davon zu überzeugen, mal etwas anderes zu wagen und nicht jahre- oder jahrzehntelang an alten Ideen festzuhalten. Was sich lohnen würde, ist sich Klages sicher, die schon fast alle regionalen Einrichtungen aufgesucht hat. Und dabei auch Schätze gefunden hat. Wie eine umfangreiche Schreibmaschinensammlung aus der ganzen Welt, die sie in einem der Häuser entdeckt hatte. „Die ist richtig versteckt in einer Sammlung mit vielen anderen Gegenständen, die man auch in anderen Museen wiederfindet“, sagt Klages. Und will man das noch mal irgendwo anders wiedersehen?, fragt sie.

 

Über den Museumsverband werden mittlerweile Schulungen und Beratungsangebote vermittelt, damit sich die Betreiber von Sammlungen oder Heimatstuben mit ihren ausgestellten Exponaten beschäftigen können. „Manchmal ist weniger mehr“, sagt Klages. Und manches gelte es einfach noch zu entdecken. So wie in Freden, einst ein Zentrum der Herstellung von Glasprodukten wie die wohl jedem bekannten, kleinen, braunen Arzneifläschchen aus Apotheken.

 

Klages ist derzeit noch mit einer Bestandsaufnahme beschäftigt, die viel Zeit kostet. Auch, weil damit häufig viele Gespräche und Diskussionen mit Betreibern verbunden sind. Zum Beispiel zu der Frage, ob man sich vorstellen könne, ein Exponat auch mal an ein anderes Heimatmuseum zu verleihen. Doch Klages stößt dann immer wieder auf Mauern, erzählt sie.

 

Dabei sei es manchmal ganz einfach, etwas auf die Beine zu stellen, was das Publikum anzieht. So wie ein Waschtag im Ferienprogramm in Baddeckenstedt: „Das kam einfach gut an.“

 

Bei dem Qualifizierungsprogramm für die Ehrenamtlichen gehe es auch um die Frage, wie man Drittmittel einwerben kann. Doch dafür muss man auch bereit sein, für die eigene Sammlung ein Konzept zu entwickeln. „Jedes dieser Museen hat einen besonderen Schatz, den müsste man nur bergen“, sagt Klages. Dabei würden die Betreiber nicht alleine gelassen.

 

Ideen gäbe es für die Region genug: wie die Geschichte der Käserei in Lamspringe, ein Apothekermuseum in Algermissen oder ausgefallene Ansätze, die sie nach der Wende in Chemnitz kennengelernt hat. Dort gibt es ein Technikmuseum, das sich auf Autounfälle unter anderem von Westautos zu DDR-Zeiten spezialisiert hat: „Kurios, aber vollständig dokumentiert und total spannend.“

 

Im Hinblick auf die Bewerbung von Stadt und Region Hildesheim zur Kulturhauptstadt in Europa werde die Zeit aber knapp, aber so oder so: „Es lohnt sich in jedem Fall für die Region, endlich anzufangen, die Kulturschätze sichtbar zu machen.“

 

KOMMENTAR

Von Norbert Mierzowsky

Die Heimat wiederbeleben Sie werden oft belächelt: Heimatmuseen. Kein Wunder, dass sie weder vor Ort Besucher anziehen noch es leisten können, so etwas wie touristisch anziehend zu sein.

Man kennt es doch: haufenweise landwirtschaftliche Werkzeuge, Trachten und Küchenzubehör aus allen möglichen Jahrzehnten in ein oder zwei Räumen zusammengepfercht.

Dabei birgt jeder einzelne Ort in der Region einen eigenen Schatz der Kultur- und Sozialgeschichte. Das ist auch eine große Chance, zusammen mit weiteren Veranstaltungen und Ideen den Weg zur Kulturhauptstadtbewerbung weiter auszubauen und dabei auch den Menschen in der Region ihre eigene Heimatgeschichte wieder vor Augen zu führen.

 

Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 02. März 2020


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